Sind Landmenschen stressresistenter?
Was lässt uns mit Stress besser umgehen? Was haben Landbewohner, was Stadtmenschen nicht haben? Gibt es eine neue Antwort?
Das Landleben wird als Idyll dargestellt, aus dem Kraft geschöpft werden kann. Dazu gehören die gute Luft, die dörfliche Gemeinschaft, viel Grün, viele Haustiere und Nutztiere, von den schnurrenden Katzen bis zu den Kühen auf der Weide.
Es gibt einige Studien, die sich mit den Vor- und Nachteilen vom Stadt- und Landleben beschäftigen und der Frage, ob uns das Landleben besser vor Stress schützt. Nun gibt es eine neue Untersuchung, die eine andere Antwort darauf hat, warum Landbewohner mit Stresssituationen besser umgehen können.
Von wegen grosse Tiere
Die beruhigende Wirkung des Landlebens, das was Menschen vom Land oft ausstrahlen, ist nicht nur dem Wohnen im Grünen oder den Tieren zuzuschreiben.
Es handelt sich dabei auch um gute alte Freunde: jene Umweltbakterien, die die Menschheit seit Jahrtausenden relativ friedlich begleiten. In der Grossstadt haben sie es allerdings schwer. Dennoch brauchen wir sie und vor allem in den letzten Jahren wurde ihre Bedeutung für unsere Verdauung, beim Stoffwechsel und dem Immunsystem deutlich. Denn, unsere guten Mikroben halten auch ihre bösen Verwandten wie Krankheitserreger in Schach.
Mikroben entstressen
Nun offenbarte eine Studie der Ulmer Universität, die in Zusammenarbeit mit anderen Unis entstand, auch noch die verbesserte Stressresilienz durch Mikroben.
Die Versuchsteilnehmer, Männer, die ihre ersten 15 Jahre auf dem Land und mit Haus- und Nutztieren verbracht haben, konnten Stresssituationen immunologisch besser bewältigen als die Vergleichsgruppe, bei denen es sich um Männer handelte, die ihre ersten Jahre in der Grossstadt verbrachten und ohne Haustiere aufwuchsen.
Zum Stresstest wurden begleitend immunologische Parameter und Stresshormone erhoben, wozu Proben von Blut und Speichel entnommen wurden.
Höhere Stresswerte, aber …
Obgleich die Landmenschen höhere Stresswerte und ein subjektiv höheres Stressempfinden als die Grossstädter zeigten, reagierte das körpereigene Abwehrsystem dennoch nicht so heftig wie bei den Teilnehmern, aus der Grossstadt.
Bei diesen war der stressinduzierte PEMC-Anstieg grösser sowie die Werte für den Entzündungsmarker Interleukin 6.
Ein weiteres Indiz dass Menschen, die auf dem Land aufgewachsen sind, Stress besser verarbeiten, fanden die Forscher in der positiven Ausschüttung von Interleukin 10, einem Entzündungshemmer, im Gegensatz zu den Städtern.
Welche Aussage hat die Studie?
Überschiessende Immunantworten sind für unsere Gesundheit ein Problem, da sie zu den gefürchteten chronischen Entzündungsreaktionen führen können, wie bei allergischen Erkrankungen, auch Asthma. Zudem wird das Risiko von Depressionen und Posttraumatischen Belastungsstörungen erhöht.
Unter Wissenschaftlern ist die überdurchschnittliche Anfälligkeit für Allergien, Asthma und psychische Erkrankungen bei Grossstädtern bekannt. Die Studie gewinnt an Brisanz, wenn die Entvölkerung auf dem Land und die zunehmende Bevölkerung der Städte bedacht wird und es zu einem mangelnden Kontakt mit den Bakterien kommt, die eine Schlüsselrolle im Schutz vor diesen Erkrankungen haben.
Impfung mit Umweltbakterien
In einem Tierversuch konnte das Forscherteam zeigen, dass die Stressresilienz durch eine „Impfung“ mit den Umweltbakterien verbessert wurde. Für die Forscher wäre es interessant, ähnliche Ergebnisse für Menschen zu erreichen. Getestet werden soll bei weiteren Untersuchungen, ob ein früher Kontakt mit Haustieren einen ähnlich positiven Effekt bewirkt.
Zur Studie im Fachmagazin PNAS:
http://www.pnas.org/content/early/2018/04/24/1719866115